KURZBIOGRAPHIE

Luxemburg, August 1965

Elisabeth Käsemann wurde am 11. Mai 1947 als jüngstes Kind von Margrit und Ernst Käsemann in Gelsenkirchen geboren. Die Familie folgte den beruflichen Stationen des Vaters von Gelsenkirchen nach Mainz, nach Göttingen und schließlich 1959 nach Tübingen, nachdem der Vater einen Ruf der Universität Tübingen an die Evangelisch-Theologische-Fakultät erhalten hatte. Elisabeth Käsemann legte 1966 in Tübingen am Wildermuth-Gymnasium ihr Abitur ab. Nach einem Sprachaufenthalt in Oxford begann sie zum Wintersemester 1966/67 ein Studium der Politik an der Freien Universität Berlin. 1968 entschloss sie sich, das vorgeschriebene Praktikumssemester in Bolivien zu absolvieren. Dort arbeitete sie zunächst für die Evangelisch-methodistische Kirche in La Paz und assistierte bei Krankenbesuchen und Sozialbetreuung. Nach einer Rundreise durch Lateinamerika entschied sie sich, in Buenos Aires zu studieren. Sie legte das argentinische Abitur ab und nahm ein Wirtschaftsstudium an der Universität Buenos Aires auf. Neben ihrem Studium verdiente sie sich ihren Lebensunterhalt als Sekretärin und Übersetzerin und engagierte sich in politischen Organisationen für sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen. 1976 putschte sich das argentinische Militär an die Macht und die Zeit der systematischen Verfolgung und Ermordung der politischen Opposition begann. Im März 1977 wurde Elisabeth Käsemann entführt und nach wochenlanger Folter am 24. Mai kurz nach ihrem dreißigsten Geburtstag in Monte Grande bei Buenos Aires erschossen.

Elisabeth mit dem Vater, Ernst Käsemann, Luxemburg, August 1965

Elisabeth Käsemann mit ihrem ungarischen Hirtenhund Argos, Tübingen, Oktober 1966

POLITISCHES UND SOZIALES ENGAGEMENT

Berlin 1967

Elisabeth Käsemann war schon in jungen Jahren ein politisch interessierter und engagierter Mensch. Am Wildermuth-Gymnasium leitete sie einen politischen Arbeitskreis. Als sie 1966 in Berlin ihr Studium begann, befand sich die Stadt in der Vorphase von „1968“. In kleinen Gruppen, die zu einem großen Teil aus Mitgliedern des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes und der Evangelischen Studentengemeinde bestanden, wurde über Weltpolitik und die Nord-Süd-Problematik diskutiert. Im Umfeld von Rudi Dutschke, zu dem auch Elisabeth Käsemann gehörte, entstanden zu dieser Zeit die Grundlagen für die spätere Dritte-Welt-Bewegung.

Tübingen, Dezember 1970
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Berlin 1967

In Lateinamerika engagierte sich Elisabeth Käsemann auf vielfältige Weise für die Verbesserung der Lebensbedingungen der notleidenden Bevölkerung. Sie nahm an Alphabetisierungsprojekten teil, organisierte Unterstützung für bedürftige Familien, half politisch Verfolgten außer Landes zu fliehen und arbeitete in politischen und christlichen Organisationen mit. In einem Land, in dem eine falsche Bibelausgabe zur Verhaftung führen konnte und in dem Priester wegen ihres christlichen Engagements gefoltert und ermordet wurden, bedeutete solches Engagement das Todesurteil. Ihre Auffassung von christlicher Solidarität ließ sie ihr Leben für eine Welt mit mehr sozialer Gerechtigkeit lassen.

Buenos Aires, Palermo, Argentinien, Mai 1976

Tigre, Argentinien, April 1976

GEDENKEN

Die Evangelische Familienbildungsstätte in Gelsenkirchen, dem Geburtsort von Elisabeth Käsemann, trägt seit 1993 ihren Namen.

2012 wurde eine Straße im Tübinger Stadtteil Lustnau nach Elisabeth Käsemann benannt.

Seit 2012 wird jedes Jahr an Abiturienten des Wildermuth-Gymnasiums der Elisabeth-Käsemann-Preis als Auszeichnung für besonderes gesellschaftliches Engagement verliehen.

2022 erklärte die argentinische Regierung den Friedhof von Monte Grande und das Haus mit der Adresse Boulevard Buenos Aires 1151, in dem Elisabeth Käsemann mit 15 anderen Menschen ermordet wurde, zu offiziellen Gedenkorten.